Drei Fragen an spitzwegerich

Es ist so unglaublich schön, ein Thema von Euch ins Rampenlicht geholt zu sehen, das eher ungern im Vordergrund gesehen wird. Könnt Ihr Euch noch erinnern, wie Ihr darauf gekommen seid, Euch dem Staub zu widmen?

Sich dem Staub zu widmen ist unvermeidbar!
Staub ist aufs erste so unscheinbar und dann bündelt er sich in unseren Wohnungen und versteckt sich, wächst scheinbar von alleine; ein wunderbarer Nährboden für Figuren und Objekte, Milben und Geschichten. Vielleicht weil omnipräsent ist er schon lange Thema von spitzwegerich und umso schöner, dass er es jetzt endlich - auch vergrößert - auf die Bühne schafft.


In staub...a little mindblow* geht es um ein Universum des Alltags, das uns den Kosmos denken lässt. Staub wird zum verbindenden Phänomen, das ins Körperliche - auch in den eigenen Körper - übergeht und eine eigene Sprache spricht, reagiert, zuhört.

Ihr arbeitet multidisziplinär in Euren Projekten – ganz verschiedene Mittel sind präsent und miteinander verschränkt – wie muss man sich die gemeinsame Arbeit von Euch verschiedenen Künstler*innen innerhalb von spitzwegerich vorstellen?

In spitzwegerich-Projekten nimmt das Bild und damit die Werkstatt einen großen Zeitraum und Stellenwert ein, daher müssen die Bildideen früh stehen. In der ersten Erarbeitungsphase ist es vor allem ein Wechselspiel zwischen Bild und Textgedanken, also zwischen Autorin und Werkstattteam. Skizzen werden hin und hergeschickt, wir lesen viel und entwickeln aus diesen Ideen ein erstes Storyboard, das für alle einsichtig ist. Hier fließen dann auch schon Kompositionsgedanken mit ein.


Mit einem durchgehenden Storyboard und einer ersten Fassung trafen wir uns zu Vorproben von staub etwa ein halbes Jahr vor Probenstart; gingen hier in den Austausch mit externen Expert*innen und choreographische Skizzen entstanden. Bis zum Probenstart arbeiteten alle parallel, dann kamen wir zur Leseprobe mit Bildern, Musik, Choreographie und szenischen Gedanken zusammen und puzzelten gemeinsam.


Es ist ein demokratischer Prozess mit Expert*innen, die gemeinsam Entscheidungen treffen; die Expertisen greifen ineinander über und ein. Wir arbeiten ohne klassische Regieposition, wohl aber mit einem professionellen Blick von außen. Üblicherweise ist diese Person ein “outside eye”, also jemand der sporadisch und erst später im Prozess einsteigt und Feedback gibt. Im Fall von staub… a little mindblow* haben wir aber Asli Kislal als “inside eye” dazu gebeten, also war sie auch schon bei den Vorproben präsent und intensiv am Probenprozess beteiligt. Das hat ein fokussierteres szenisches Proben ermöglicht und dadurch das Team noch enger zusammengeschweißt.

Ihr praktiziert seit Jahren mit großer Hingabe die Verschränkung so vieler unterschiedlicher ästhetischer und künstlerischer Mittel und habt darin ein Alleinstellungsmerkmal. Was bedeutet Euch dieses spezielle Kunstschaffen?

Wir lesen bildende und darstellende Kunst, Literatur, Bewegung und Musik als ineinandergreifende Kunstformen und eben dieses Zusammenwirken ist eine großartige Inspiration und Erweiterung der jeweils einzelnen Sparte. Es ist die Begeisterung für die Arbeit der Kolleg*innen, die das gemeinsame Stück zu entwickeln so besonders macht. Dadurch, dass jede Position gleichwertig ist, gibt es eine sehr wertschätzende Aufmerksamkeit für alles, was entsteht.


spitzwegerich arbeitet immer mit Expert*innenteams; mit einem Kern von Leuten, der sich stets erweitert. Das, was letztlich auf die Bühne kommt, ist sehr stark von Einzelpersönlichkeiten abhängig. 

So viele Mittel zu verschränken und auch die intensiven Recherche- und Werkstattzeiten sind nur in einem Team möglich, das sich zu 100% aufeinander verlassen kann und das sich so respektiert, dass auch die Reibung und der Stress gemeinsam getragen werden. 

Die Fragen stellte Esther Holland-Merten.