Vier Fragen an Elisabeth Löffler und Cornelia Scheuer

Wie arbeitet der Verein LizArt Productions?

Wir haben LizArt Productions 2006 gegründet. Zu diesem Zeitpunkt arbeiteten wir bereits seit zehn Jahren in der mixed-abled Gruppe „Bilderwerfer“ und mit anderen Künstler_innen und Ensembles, sowohl in Österreich als auch international.  Allerdings waren – und sind immer noch – beinahe alle diese künstlerischen Projekte und Initiativen von Leuten ohne Behinderung geleitet, sie haben die Arbeitsstrukturen, die Teams, die Finanz- und die finalen Produktionsentscheidungen getroffen. Wir fanden das unbefriedigend, wollten selbst die Arbeitsprozesse, unsere Partner und Partnerinnen, die künstlerischen Formate und Inhalte entscheiden. LizArt Productions ist einer der wenigen Kunstvereine, der von Künstlerinnen mit Behinderung gegründet wurde und selbst verwaltet wird. 

Arbeitet ihr in dieser Konstellation das erste Mal zusammen oder gibt es da schon eine längere Arbeitsbeziehung?

Die Zusammenarbeit mit Yosi Wanunu und Kornelia Kilga begann bereits mit dem mixed-abled Ensemble „Bilderwerfer“ und Daniel Aschwanden ab 1998 und hielt über all die Jahre an. Es entstand im Laufe der Jahre eine großartige Vertrauensbasis, auf der man gemeinsam neue Herausforderungen wagen kann.

Wie kam es zu diesem Projekt?

Wir machen alle zwei, drei Jahre ein gemeinsames Brainstorming, um ein neues Stück und neue Ideen zu besprechen. Dieses Mal war die ausschlaggebende Idee, die unterschiedlichen Realitäten der „gehenden Menschen“ und der „rollenden  Menschen“. Eugène Ionescos Klassiker „Die Stühle“ erschien ein geeignetes Vehikel dafür zu sein.  Nach ersten Recherchen und Try Outs mit dem Ionesco Original und Adaptionsversuchen an die Rollstuhl-Lebenswelt wurde uns klar, dass die Fragen der Körperlichkeit durch den Originaltext nicht befriedigend abgehandelt werden können, also schrieb Yosi einen neuen Text, angelehnt an die Struktur und die Logik des Originals. Was ebenfalls blieb, ist der Stil des Vaudeville der 1920iger Jahre und der klassischen Comedians wie Charlie Chaplin und Buster Keaton in ihrer tragischen Komik, derer sich Eugène Iounesco bediente. Die beiden Protagonistinnen Elisabeth Löffler und Cornelia Scheuer kennen diese komische Tragik aus ihren eignen Lebenserfahrungen, denn nichts ist so absurd wie das Leben selbst.

Wie kamt ihr darauf, euch mit diesem Klassiker des absurden Theaters auseinanderzusetzen?

Das Theater des Absurden bedient sich wiederholt der Behinderung als Metapher für den traurigen Zustand der Welt. Seien es blinde Männer, gehörlose und stumme Charaktere oder auch eine bis zum Kopf eingegrabene Frau.

In Ionescos „Die Stühle“ kommen die unsichtbaren Gäste, um einen Redner zu hören, der die Entdeckung des alten Mannes enthüllt. Es wird impliziert, aber nie tatsächlich ausgesprochen, dass diese Entdeckung der „Sinn des Lebens‘“ ist. Am Ende des Stücks kommt der Redner schließlich an, um vor der versammelten Menge seine Rede zu halten. Doch als der Redner zu sprechen beginnt, wird der im Raum versammelten unsichtbaren Menge und dem realen Publikum im Theater klar, dass er nicht im üblichen Sinne sprechen kann. Der „Sinn des Lebens“ soll von einer behinderten Person vorgetragen werden, die nicht verstanden werden kann. Das Stück stellt auch die Frage ob es eine Verständigung zwischen verschiedenen Lebensrealitäten geben kann, wie die zwischen Menschen mit und ohne Behinderung.

In Die Rollstühle wird die Absurdität der Sprache um jene der Körpersprache erweitert, wie sie sich nicht nur in den behinderten Körpern manifestiert, sondern auch in den anderen Körpern, die die Rollstühle besetzen. Wie kommunizieren wir das Anderssein unserer Körper, unserer Bewegungen, unseres physischen Ausdrucks?

Die Fragen stellte Hannah Lioba Egenolf

Foto Titelbild: Sandra Fockenberger