Drei Fragen an Pau R. Bernat

Wie kam es zur Idee zu diesem Stück? Was war der Ausgangspunkt deiner Recherche?

Es ist eigentlich eine Idee von Leonardo Raab gewesen, für deren Entwicklung und Umsetzung als Text ich verantwortlich war. Als er mir den Vorschlag unterbreitete, sprach er mit mir über zwei Achsen: einerseits die Boten und Botenberichte unserer Theatertradition, andererseits die Möglichkeit, ein und dasselbe Ereignis aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und/oder zu erzählen - als Beispiel nannte er Akira Kurosawas Film Rashomon -, aus konvergierenden, sich ergänzenden oder sogar widersprüchlichen Versionen. Es ging darum, diese beiden Aspekte zu kombinieren und sie zeitlich in der Gegenwart anzusiedeln, was für unser Medium zwei interessante Effekte hat: Anachronismus und die Möglichkeit, soziale Modelle zu kontrastieren und zu betrachten, in diesem Fall durch die Arbeitsbedingungen ... Ich  musste mir also eine Welt vorstellen, in der die Boten selbst unter anderem diese Aspekte hervorbringen ...

Da es sich um eine Stückentwicklung handelt, wurde der Prozess der Recherche in den verschiedenen Phasen der Texterstellung nicht unterbrochen.

Orientierst Du Dich in Deinem auch Text an den historischen Botenfiguren wie man sie beispielsweise aus den griechischen Tragödien kennt?

Ja, aber nicht nur bei den Boten, sondern auch bei all denjenigen Figuren, die eine Botschaft transportieren, die von etwas berichten, das abseits der Bühne passiert oder passiert ist, Informationen, die nicht nur eine Geschichte sind, sondern Auswirkungen auf das Geschehen auf der Bühne haben, es bestimmen, zum Beispiel ein Hirte in Ödipus, eine Amme in Medea ... Die Annäherung an diese Figuren fand in erster Linie auf der Ebene des Diskurses statt, denn obwohl sie bestimmte Gemütszustände zeigen, besitzen sie einfach - und das sage ich sehr vorsichtig -, eine funktionale Rolle. Botenberichte - ich verwende den Begriff jetzt in einem generischen Sinne - aus Werken von Shakespeare, Kleist, Rilke ... - ja, Rilke ... - haben ebenfalls als Quelle gedient.

Ich will zwei Werke nennen, ohne zu sagen, warum, die beim Schreiben einiger Botenberichte, die in /please/ don't shoot the messenger zu hören sind, eine Referenzrolle gespielt haben: Euripides' Die Bakchen - ein Stück, für das ich eine gewisse Vorliebe habe - und Brechts Essay „Über reimlose Lyrik und mit unregelmäßigen Rhythmen“, der auf den ersten Blick nichts mit der Frage der Boten und der Botenberichte zu tun hat ...

/please/ don't shoot the messenger © Apollonia T. Bitzan

Arbeitet ihr, Leonardo und Pau, in dieser Konstellation das erste Mal zusammen oder habt ihr schon mehrere gemeinsame Projekte verwirklicht? Wie kamt ihr zum diverCITYLAB?

Bevor Leonardo mir von der Möglichkeit dieses Projekts erzählte, wusste ich nichts vom diverCITYLAB. Leonardo kennt Aslı Kıslal aus seiner Zeit in Mainz, ich kenne Leonardo auch noch aus der Zeit, als ich an der Uni Mainz Philosophie unterrichtete ... Es ist einfach eine Sache des Zufalls von Mensch zu Mensch, wie viele Dinge in diesem Milieu passieren ... Und ich bin sehr glücklich, dass es so gekommen ist, denn das Team von diverCITYLAB ist eine wunderbare Gruppe von Menschen, und das meine ich nicht nur fachlich, sondern auch menschlich.

Die Fragen stellte Hannah Lioba Egenolf.