Drei Fragen an die Regisseurin Cosmea Spelleken

Es ist auffällig, dass es Dir die klassischen Texte und Stoffe angetan haben. Nach Werther.Live, Möwe.live und Odysseus.live jetzt Romeo <3 Julia. Was geben Dir diese klassischen Texte und warum greifst Du nicht zu einer Modernisierung dieser Texte, sondern versuchst eher zeitgenössische Erzählweisen für die alten Texte?

Cosmea Spelleken: Wenn ich mich mit klassischen Stoffen auseinandersetze, fühle ich eine Verbundenheit zwischen den Menschen aus verschiedenen Zeiten und Kulturkreisen - hier wird etwas freigelegt, das größer ist als das Alltägliche. Wir können durch diese Geschichten, welche nie aufhören werden uns zu beschäftigen, zu einem ur-menschlichen Kern vordringen, der über ein Individuum hinausgeht. Das ist etwas sehr sehr Berührendes, weil man sich plötzlich in seinem Denken und Fühlen nicht mehr allein findet. Zudem fühle ich mich freier darin, mir die Figuren zueigen zu machen, wenn ich nicht das Gefühl habe, dem noch lebenden Autor gerecht werden zu müssen in meiner Inszenierung. Die „modernen Themen“ sind, wenn man sie auf ihren Kern herunterbrechen würde, oft gar nicht so neu und bahnbrechend, sondern Systeme und Schemata, welche schon immer da waren. Wenn ich mich den inneren Konflikten in den Stoffen und ihrer Figuren auf einer emotional erlebbaren Ebene nähre, kann ich dadurch viel besser verstehen, wie unsere Welt heutzutage funktioniert, ohne von politisch aufgeladenen Schlagworten geblendet zu werden. Der Blick auf die Themen wird für mich dadurch klarer und differenzierter.

Das Setting für die Inszenierung für Romeo <3 Julia bespielt alle Räume des Theater am Werk am Petersplatz. Woher kam die Idee, die Geschichte nicht „klassisch“ in nur einem Raum und vor der vierten Wand zu spielen?

Cosmea Spelleken: Theater ist für mich ein Spielplatz der inszenatorischen Möglichkeiten! Durch das Studium an der Filmakademie Wien bin ich es gewohnt, für einen sehr klar begrenzten Darstellungsraum (den Bildschirm) zu inszenieren. Das Theater gibt mir die Möglichkeit, das zu erweitern, vielschichtiger, wilder zu werden! Ein Erleben auszudehnen, über eine klare Blickrichtung hinaus! Hier beginnt für mich der Zauber der Liveness - dass es mehr zu sehen gibt als ein einziges geführtes Bild! Dass man mehrere Blickwinkel einnehmen kann, (wortwörtlich) inmitten des Geschehens steht und dass man das Universum der Geschichte, welches wir uns als Team im Laufe der Proben aufbauen, hautnah erleben kann.

Wie auch schon in Deinen vorangegangenen Arbeiten setzt Du bei dieser Inszenierung erneut verschiedene Medien ein. Worin liegt für Dich der Mehrwert des multimedialen Erzählens?

Cosmea Spelleken: Jedes einzelne Medium kann bestimmte Dinge erzählen und andere nicht. Manche Situationen lassen sich nicht mit Worten beschreiben, man muss sie sehen. Manche Momente sind am stärksten, wenn ich erlebe wie sie aus einem Schauspieler herausbrechen und manche Gedanken sind am eindrücklichsten, wenn ich sie nur höre. Jedes Medium, egal ob Chats, Bühnenlicht, Film, Kostüm oder Musik, ist für mich eine Farbe auf der Farbpalette der künstlerischen Ausdrucksmittel - und je freier ich mich darin bewegen kann, desto nuancierter und detailreicher wird am Ende das Bild, das ich versuche zu zeichnen.

Die Fragen stellte Esther Holland-Merten.

Foto Titelbild: Igor Ripak