3 Fragen an Clara Frühstück & Sylvi Kretzschmar

Liebe Clara, liebe Sylvi – Eure Produktion heißt „Versammlung der Schlaflosen“. Ihr habt eine Reihe von Menschen interviewt, die um ihren Schlaf gebracht sind. Wie kam es zu diesem Projekt?

Clara: Sylvi und ich hatten schon länger vor, zusammen zu arbeiten. Ich habe mich ja von der (klassischen) Musik aus Richtung Performance bewegt. Bei Sylvi war der Weg genau umgekehrt: von der Performance zur Musik. Wir waren neugierig, wo wir uns da treffen.

Sylvi: Von Maja Osojnik sind wir beide Fans. Es war eine großartige Idee von Clara, sie ins Boot zu holen. Ich habe das Stück „Raue Einstellungsbilder“ von Samuel Schaab und Clara Frühstück gesehen und war begeistert. Erst beim Gratulieren nach der Show fiel mir auf, wie erschöpft Clara wirkte, die zu dieser Zeit noch ihre Tochter gestillt hat.

Clara: Waaaaaaas? Ich sah erschöpft aus??? Da war doch alles super, ich hab viel gearbeitet, hatte grad ein ganz kleines Baby, aber somit auch die besten Hormone für wenig Schlaf! ;))) mir ging’s doch blendend!!!

Sylvi: Mit dem Spagat zwischen Mutterschaft und Kunst kennen wir uns jedenfalls beide aus. Konkret mit dem Gefühl: Ich lebe etwas, was eigentlich nicht geht. Was auch nicht vorgesehen ist zwischen Idealen der unabhängigen 100 % Künstler*in und der hingebungsvollen 100 % Mutter. Da kamen wir ins Gespräch darüber, dass der feministische Hund irgendwie genau da begraben ist. Aber auch darüber, wie Sorgearbeit verbunden ist mit Schlaflosigkeit.

© Sylvi Kretzschmar

Was ist eure eigene Verbindung zum Thema Schlaf/Schlaflosigkeit?

Sylvi: Ich hatte in meinem Leben selbst eine schlimme Insomnie-Phase, die zum Glück lange zurück liegt. Das hat mir in der Interview-Recherche geholfen. Ich konnte aus eigenem Erfahrungswissen fragen und zuhören.
Im Rückblick kann ich übrigens sehen, dass mein Schlaflos-sein damals große und grundlegende persönliche Veränderungen hervorgebracht hat. Ich bin zum Beispiel nicht sicher, ob ich sonst Künstlerin geworden wäre. (Eher nicht.) Das interessiert mich an Insomnie: Schlaflosigkeit ist eine körperliche und unaufschiebbare Forderung nach Veränderung. Ohne Schlaf geht nichts. Das heißt auch: so wie es ist, geht es nicht. So wie es ist, kann es nicht bleiben. Bei aller Erschöpfung ist da eine schöpferische Komponente: hier muss was anders! Natürlich bin ich Menschen begegnet, die über Jahrzehnte schlaflos sind. Bei allem Leid, von dem ich gehört habe, hat mir in den Gesprächen (selbst mit schwerst depressiven Menschen) genau diese Expertise imponiert: Notwendigkeit von Veränderung spüren können.

Clara: Was wir aus den Gesprächen auch mitnehmen: die wenigsten Insomnie-Ursachen lassen sich individuell lösen. Insomnie ist ein Massenphänomen. Insomnie ist politisch. Schlaflosigkeit ist ein gesellschaftliches Symptom, auch wenn es fast ausschließlich als ein Resilienz-Problem Einzelner verhandelt wird. Genau da wollten wir uns mit unseren Mitteln der Musik und Live Art/Performance rein schmeißen.

Sylvi: Ohne Lösungen parat zu haben. Ohne therapeutischen Anspruch. Mit der simplen Idee, auf einer Bühne, also öffentlich und »in concert« (ital. concertare: zusammenwirken) Zustände, Gefühle, Stimmen, Stimmungen und Gedanken von Menschen zu versammeln, die einander nie begegnet sind.

© Ingo Petramer

Arbeitet ihr zum ersten Mal in dieser Konstellation zusammen?

Ja. Und ganz sicher nicht zum letzten Mal!

Die Fragen stellte Hannah Lioba Egenolf.